Lehrausgang ins Wiener Stadt- und Landesarchiv
23.04.2012

Lehrausgang ins Wiener Stadt- und Landesarchiv

Umair Anwar, Elisabeth Gittenberger, Julia Leitner, [Name entfernt], Marlene Tulloch

 Am Montag, den 23. April 2012, haben wir, die 4c, mit unseren Geschichtslehrerinnen dem Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) einen Besuch abgestattet. Das Archiv befindet sich in Wien-Simmering und zwar im Gasometer in der Guglgasse 6. Die Führung wurde von Herrn Dr. Stefan Spevak durchgeführt, von dem wir zu Beginn eine kurze Einführung über die Geschichte des Archivs erhielten. Es ist annehmbar, dass das städtische Archivwesen in Wien schon seit dem frühen 13. Jahrhundert besteht. Nachweise gibt es aber erst seit dem 14. Jahrhundert. Vom 15. Jahrhundert bis 1883 war das Archiv im heutigen „Alten Rathaus“ in der Wipplingerstraße im 1. Bezirk untergebracht, danach im „neuen“ Rathaus. Wegen Platzproblemen übersiedelte es 2001 in einen der Türme des Gasometers.

Es werden dort unter anderem gemäß der Funktion Wiens als Stadt Unterlagen aus den städtischen Ämtern, den Magistratsabteilungen und Bezirksämtern, den städtischen Anstalten, Fonds und Unternehmungen aufbewahrt. Gemäß der Funktion Wiens als Bundesland werden unter anderem Aufzeichnungen der Gerichte, der Polizei und der Handelsgremien im Archiv gelagert. Wertvolle Einzelstücke des Archivs, die für die Geschichte Wiens wichtig sind, sind z. B. ein mittelalterlicher Wappenbrief aus dem Jahr 1461, das Testament des Komponisten Joseph Haydn (1809) oder ein Sammelakt des Volksgerichtshofes zur Aburteilung von Angehörigen der Wiener Gestapo.

Am Anfang hat uns Dr. Spevak erzählt, dass nur ca. 2,5 Prozent der gesamten Akten, die von Wiener Behördenstellen, Anstalten etc. angefertigt werden, im WStLA archiviert werden. Das ist deswegen so, weil in unserem Bundesland jeden Tag eine Menge Akten angelegt werden, z.B. in einem Krankenhaus oder Polizeiamt. Heutzutage kann man dort wichtige Akten, wie Verträge oder Urkunden elektronisch abrufen. Auch im WStLA befindet sich inzwischen ein digitaler Speicher zur Archivierung dieser digitalen Archivalien.

Nach der kurzen Einführung ging es auch schon los. Zunächst sind wir durch den Lesesaal gegangen. Es ist sehr still dort, weil er zum Forschen und Studieren der wichtigen Papiere genutzt wird.  Der nächste Raum war das Meldearchiv, wo die Meldezettel von ungefähr 1904 bis 1975 aufbewahrt werden. Dort trafen wir Herrn Denk, der uns die Funktion des Meldezettel-Archivs erklärte. Allein in diesem Bestand des Archivs befinden sich ca. 75-80 Millionen Meldezettel, da alle BewohnerInnen, aber auch TouristInnen und Einwanderer einen Meldezettel ausfüllen musste, um sich legal in Wien aufhalten zu können, auch wenn sie nur wenige Tage in der Stadt verbracht haben. Die Meldezettel sind phonetisch angeordnet, das heißt nach der Aussprache der Namen: So findet man zum Beispiel alle Namen, die mit B und P oder C, G und K beginnen, in einem Schuber. Der Vorteil des Systems ist, dass man nur den Namen wissen, aber nicht richtig schreiben können muss. So finden sich etwa alle Personen mit Namen Meier, Meyer oder Maier etc. in alphabetischer Reihenfolge geordnet in dem Archiv. Ein Nachteil ist, dass die phonetische Anordnung nicht ganz leicht zu erlernen ist. Wir haben beispielsweise den Meldezettel eines gewissen Simon FISCHER gesucht, von dem wir auch sein Geburtsdatum (02.10.1890) wussten. Anhand seines Meldezettels konnten wir herausfinden, dass er zwölf Kinder hatte und in der Herminengasse gewohnt hat. Während der nationalsozialistischen Herrschaft musste Herr Fischer, der Jude war, mit seiner Familie aus Wien nach Palästina flüchten. Nach einiger Zeit fanden wir ihn. Wir suchten auch noch nach einigen andere Personen. Leider fanden wir keinen Meldezettel von Adolf Hitler. Herr Denk erklärte uns, dass Hitler diesen höchstwahrscheinlich verschwinden hat lassen. In einem anderen Teil des Meldearchivs befindet sich das Geschäftsregister. Dort werden Unterlagen von Vereinen, Firmen und Geschäften gelagert. Hier fanden wir auch einige Dokumente vom „Adolf-Hitler-Haus“, der 1931 errichteten Parteizentrale der Wiener NSDAP.

Dann erfuhren wir etwas über das Findelhaus, das von Josef II. eingerichtet worden war und wo ledige Frauen, die im angeschlossenen Gebärhaus ihre Kinder anonym zur Welt brachten, diese abgeben konnten. Die Kinder und ihre Pflegefamilien wurden in ein riesiges Buch eingetragen, das bis ca. 1910 geführt wurde.

In der nächsten Abteilung haben wir uns mit Gerichtsakten beschäftigt. So durften wir Brandakten anschauen, die beim Brand des Justizpalastes am 15. Juli 1927 beschädigt worden sind und einen Akt über den Tränengasanschlag der Wiener SS auf das Kaufhaus Gerngross in der Mariahilfer Straße (1932). Dieser Akt wird folgendermaßen zitiert:  WStLA, Landesgericht für Strafsachen, Vr 8210/1932. Dadurch haben wir auch weitere Details über den SS-Unterscharführer Otto Sild erfahren, der ebenfalls an diesem Anschlag beteiligt war und mit dessen SS-Akt wir uns schon im Unterricht beschäftigt haben.

Nächste Station waren die Kartei der Wiener Gestapo (Geheime Staatspolizei), die von allen Tätern, aber auch Verdächtigen Fingerabdrücke gemacht und das genaue Aussehen notiert hat, wie z. B. von Christian Broda, dem späteren Justizminister. Eine Gauakte, nämlich der mit der Nummer 52.448 gab uns Informationen über Konrad Rotter. Er war zuerst ein Polizist, dann Gründer der NSDAP-Ortsgruppe Gersthof und schließlich Gestapobeamter. Danach sind wir noch durch ein paar Lagerräume gegangen und wurden darüber informiert, wie der Löschalarm in diesen Lagerräumen funktioniert.

Unsere letzte Station führte uns zu den NS-Registrierungs- und Volksgerichtsakten. Wir erfuhren, dass jeder, der der NSDAP angehört hatte, sich registrieren lassen musste. Wenn man dies nicht tat, konnte man dafür vom Volksgericht verurteilt werden. Akten von Volksgerichten durften wir ebenfalls anschauen. Auch einen Ausbürgerungsakt von der Sozialdemokratin Leopoldine Münichreiter, der unter dem austrofaschistischen Ständestaat die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, haben wir uns dort noch angeschaut.

Kurz vor Ende unserer Führung durften wir noch sehr alte Bücher besichtigen, leider nur bis zum Jahre 1400, da alle anderen Bücher, die älter sind, in einem Tresor sicher verstaut sind, weil sie nur bei einer Berührung schon zerfallen könnten! Schließlich sahen wir ein Buch aus dem Jahr 1426, das heißt, es ist jetzt ungefähr 600 Jahre alt!!! Am Schluss erklärte uns Dr. Spevak noch, dass alle Regale im Stadt- und Landesarchiv zusammen ca. 60 km lang seien, aber nur ca. 50 km davon besetzt wären.

 

Quellen

http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Stadt-_und_Landesarchiv

Homepage des Wiener Stadt- und Landesarchivs: http://www.wien.gv.at

Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien  22004, S. 642

Der Besuch im Wiener Stadt- und Landesarchiv hat mir sehr gefallen, weil wir eine besondere Führung bekamen. Wir haben viele alte Meldezettel gesehen, die man eigentlich nur selten bzw. nie sieht oder sehen wird. Mir gefiel am besten, dass wir das 600 Jahre alte Buch sehen durften und dass wir auch selbst manches (…) heraussuchen durften.

Tijana Jankovic

 

Es hat uns sehr gut gefallen, da wir eine spezielle Führung hatten.

Elisabeth Gittenberger und Julia Leitner

Mir persönlich hat der Ausflug ins Archiv sehr gefallen und er war sehr lehrreich. Es war um einiges moderner als in meiner Vorstellung, denn ich habe mir ein Archiv sehr altmodisch vorgestellt. Am besten an dem Lehrausgang gefielen mir die sehr alten Bücher aus dem Mittelalter mit den sehr schönen Schriften, was mir aber nicht gefiel, war, dass wir während der ganzen Führung stehen mussten und ich am Ende sehr müde war. Ich danke auch der Frau Professor, für die das sicher sehr anstrengend gewesen sein muss, für uns diese spezielle Führung zu organisiert. Was ich noch sehr interessant fand, waren die Brandakten, die „normale“ Menschen nicht zu Gesicht bekommen, wir aber durften einen Blick hineinwerfen.

Hedi Garouachi

Mir persönlich hat dort am meisten gefallen, dass Dr. Spevak uns wirklich alles Wichtiges gezeigt und erklärt hat. Dass wir Meldezettel von einigen Persönlichkeiten suchen durften, fand ich auch ziemlich interessant. Es gibt eigentlich sehr viele Sachen, die ich dort machen durfte. (…) das 600 Jahre alte Buch wirkte, als wäre es etwas ganz Besonderes — es war sehr groß und alt! Ich hoffe, dass wir noch viele solche interessanten Lehrausgänge machen werden. Ich fand das Archiv allgemein wirklich toll und anziehend!

Esma Türk

Mir gefielen am besten die großen Bücher aus den Findelhäusern. Ich hätte nicht gedacht, dass man so große Bücher braucht, um Geburtsdaten aufzuzeichnen. Die Bücher waren auch sehr gut erhalten.

[Name entfernt]

 

Alles in allem haben wir sehr viel Neues erfahren! Großen Dank an Frau Prof. Rothländer und Frau Prof. Baltzarek!!!

Umair Anwar

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